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Der folgende Text von Angelika Stehlik ist eine Arbeit im Rahmen der Ausbildung an der kath. Medienakademie Wien, basierend auf einem Interview vom Juni 2002.

Wasserhenne im Wintergras
Georg Bydlinski gibt der Sprache Raum zum Atmen

Er sitzt in seinem Arbeitszimmer in einem Einfamilienhaus in Mödling und bespricht mit seiner Frau das Mittagessen. "Wenn du`s dir erleichtern willst, kauf den Kindern Schnitzelsemmeln". Er ist 46 Jahre alt, hat vier Söhne und die Ausstrahlung eines Idealisten, der für seine Sache lebt, gepaart mit unglaublich menschlichen Zügen. Und er spricht von seiner ganz persönlichen "Magnetsituation": "Schreiben ist eine Entdeckungsreise für mich selber. Meine Überlegungen, die Fantasie und Alltagsbegebenheiten fließen zusammen wie drei Erzählbäche zu einem Erzählfluss."

Georg Bydlinski ist seit 1982 freier Schriftsteller. Er veröffentlicht  Lyrikbände, Erzählungen und Bücher für Kinder mit plastischen Namen wie »Wasserhahn und Wasserhenne« oder »Pimpel und Pompel in Limonadien«. Gemeinsam mit Käthe Recheis übersetzt er indianische Aussprüche und Weisheiten ins Deutsche. Bydlinskis aktuellste Auszeichnung ist der Österreichische Staatspreis für Kinderlyrik 2001.

Den Sprung zum freien Schriftstellertum schaffte der aus einer Juristenfamilie stammende Mödlinger mit großer Unterstützung seiner Frau. Zuvor studierte er an der Uni Wien Anglistik und Religionspädagogik - das Probeunterrichtsjahr absolvierte er jedoch nicht mehr. Irgendwann kam die "Erkenntnis, dass Schreiben, Unterrichten und Zeit für die Familie sich nicht ausgeht". Die ersten Bücher wurden schon während des Studiums gedruckt, der junge Schriftsteller begleitete Autorenkollegen auf Lesereisen. "Der Kontakt mit Publikum war immer schon dabei." Er beschloss, zeitgleich mit der Geburt seines ersten Sohnes, das Leben als freier Autor ein Jahr lang auszuprobieren. Aus einem Jahr wurden schließlich 20.

Bydlinskis aktuelle Lesereise umfasste 16 Lesungen in Salzburger Volksschulen. "Einmal hat mich ein Schuldirektor gefragt: 'Und was sagt ihre Frau dazu, dass sie so ein beschauliches Leben führen?'" Er lacht. "Als Alleinverdiener für eine sechsköpfige Familie kann man sich nicht auf die faule Haut legen, viel Arbeit ist nach außen hin nicht sichtbar, und manche Bücher legt man ja erst in der siebten Fassung aus der Hand!" Sehr selbstbestimmt lebt er, ist sein eigener Herr. Nicht aufzuwiegen sei sie, diese Freiheit, etwa mit dem Einkommen aus einem Angestelltenverhältnis.

Zurück zu den Büchern. "Mein Grundthema ist vielleicht größere Behutsamkeit im Zusammenleben der Menschen, aber auch mit der Natur." Auch gab es sehr brisante Themen im Leben des Schriftstellers: etwa 31 Jahre Wohnen in der Südstadt, wovon die Bücher »Kopf gegen Beton« und »Satellitenstadt« handeln. Gedichte hingegen entstehen bei Bydlinski oft spontan. Der Wechsel zwischen Lyrik und Prosa, zwischen Erwachsenen- und Kinderliteratur verschafft ihm immer neue Möglichkeiten der schriftstellerischen Betätigung - auch während einer Schreibkrise. Bydlinski, bildhaft wie seine Buchtitel: "Es gibt Zeiten, in denen man mehr einatmen muss und nicht nur schreiben kann." Atmen soll die Sprache, Raum soll sie bekommen. In seinen Erwachsenengedichten zeichnet er Bilder mit Worten. »Zimmer aus Licht« heißt seine neue Zusammenstellung ausgewählter Gedichte.

Georg Bydlinski bricht auf, um seinen Jüngsten vom Kindergarten abzuholen. Natürlich birgt das Leben als freier Schriftsteller ein Risiko in sich, weiß man doch nie, ob Verlage bestehen bleiben, ob ein Buch ankommt. Aber: "Ernst Jandl hat einmal gesagt: Wer schreibt, muss sich am Leben reiben."

"Ich wünsch mir, dass ich weiterhin genügend Ideen habe und genügend Öffentlichkeit, die bereit ist, auf stillere Texte hinzuhören." Dann benötigt Bydlinski nur noch einen Impuls, an dem sich eine abstrakte Grundidee konkretisiert; und danach ist das Schreiben "wie ein Faden, an dem man eins nach dem anderen auffädeln kann".

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