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Das Licht des Schattenvogels

Prosaminiaturen zu Songs

Der Band enthält 36 facettenreiche Prosaminiaturen zu Songs von Ryan Adams, Eric Andersen, Steve Ashley, Pete Atkin, Vashti Bunyan, Michael Chapman, Bruce Cockburn, Leonard Cohen, Dave Cousins, Sandy Denny, Dire Straits, Bob Dylan, Emerson, Lake & Palmer, Bill Fay, Sid Griffin, Robyn Hitchcock, Incredible String Band, Andy Irvine, Bert Jansch, Jethro Tull, King Crimson, John Mayall, Shelagh McDonald, Joni Mitchell, Karine Polwart, Pink Floyd, R.E.M., Richard Shindell, Son of the Velvet Rat, Strawbs, Allan Taylor, Richard Thompson, Suzanne Vega, Laura Veirs, James Yorkston und Neil Young.

„Die Textminiaturen der vorliegenden Sammlung wurden von Songs angeregt. Sie sind jedoch keine Nacherzählungen der Songtexte in Prosa – das jeweilige Songtextzitat stellt eher so etwas wie ein assoziatives Sprungbrett dar für die im Folgetext beschriebenen Lebensmomente und Lebensbilder, Lebensläufe und -stationen. Ähnlich wie in den Songs selbst, die aufgrund ihrer Kürze nie alles im Detail auserzählen können und wollen (darin liegt ja auch ein wesentlicher Reiz des Songformats), werden auch in meinen Texten Dinge oft nur angerissen, die die Leserin / der Leser dann weiterspinnen, weiterführen, mit eigenen Gedanken und Erlebnissen anreichern kann.“ (aus dem Vorwort des Autors)

Rezensionen

Büchereinachrichten

Ein alle Sinne ansprechendes, von unterschiedlichen Songzitaten inspiriertes Prosaminiaturenmosaik, das zu einer ganz persönlichen Gedankenreise einlädt. Georg Bydlinski ist ein genauer Beobachter, er versteht sich auf die feinen Töne zwischen den Zeilen, vermag mit ganz wenigen Worten kraftvolle Bilder und Stimmungen voller Poesie zu erzeugen.

wienerzeitung.at

Georg Bydlinski ist nicht nur ein eifriger Schreiber, wie seine Publikationsliste zeigt, sondern auch ein eifriger Hörer. Das legt sein jüngstes Buch nahe, in dem Zitate angloamerikanischer Songs die Ausgangspunkte für kurze Prosatexte bilden. Ohne sich in allzu privaten Bildern zu verrennen, schildert er Szenen, deren Verknüpfung mit dem Ausgangszitat oft erst im Nachhinein klar wird.

Podium

In Georg Bydlinskis Song-Miniaturen sind sagenhaft gute Sätze versteckt, die sich oft zu einem Ohrwurm an Lebenssinn entwickeln. „Er ordnete seine Wolken, aber der Tag wurde nicht hell.“ So einen Satz muss man sich im Büro oft einen ganzen Tag lang vorsagen, um über die Runden zu kommen. – Das Licht des Schattenvogels ist eine poetische Sammlung von Miniaturen, die mit wenigen Sätzen für jeden Leser einen persönlichen Kosmos entfalten.

Leseprobe

& a song before it is sung
does it hide in your lungs
does it float in the air
Son of the Velvet Rat

Es lag etwas in der Luft. Sie hatte gleich beim Aufwachen dieses Gefühl; sie war ausgeruht, konzentriert, ihr Denken auf etwas gerichtet, von dem sie noch nicht wusste, was es war.

Sie stand auf, frühstückte, ohne Radio, heute wollte sie sich von nichts ablenken lassen. Sie verließ die Wohnung, trug ihre Offenheit, ihre Neugier durch die Straßen und Gassen ihrer Stadt, die Gitarre am Rücken.
Sie überquerte die Murbrücke, ließ Morgenluft in ihre Lunge strömen. Ihre Schritte waren ein Rhythmus, den sie beibehielt, auch als sie über den sich langsam belebenden Hauptplatz ging und die steile Sporgasse hinauf. Jetzt nur niemanden treffen, jetzt nur mit niemandem reden.

Auf den Schlossbergwiesen spielte die Morgensonne. Noch kaum Menschen hier heroben. Vögel, ein Eichhörnchen. Sie suchte sich eine Bank im Licht, stimmte ihre Gitarre, übersetzte den Schritt-Rhythmus des Herwegs in Musik.
Die Tonfolge einer Amsel, Licht aus der Kehle des Schattenvogels. Dann sang sie selbst, zuerst tastend, zaghaft, bald sicherer werdend, eine Melodie, improvisierte einen Text dazu, in dem manche Worte noch Platzhalter waren, Lautmalerei, Amselwort. Aber es hatte begonnen, sie hatte es deutlich gespürt: Es war etwas in der Luft gelegen, gewachsen, gereift.

„Prayers (you’re not bold enough to say)” (Georg Altziebler):
Red Chamber Music, Monkey 2011

Leseprobe 2

The yellow jester does not play
But gently pulls the strings
And smiles as the puppets dance
In the court of the crimson king
King Crimson

Heute werden die Farben für den kommenden Monat verordnet. Der Herold des Königs verlautbart sie an jeder Straßenecke, das Radio in jeder Nachrichtensendung, die Zeitungen bringen sie auf der Titelseite:
„Damit alle ihre Möglichkeiten bestens ausnützen können und glücklich werden, kleiden sich ab heute die Kaufleute und Handelsangestellten grün, die Industriearbeiter braun, Beamte und Lehrer blau, die Bauern haben schwarz zu tragen, die Künstler orange. Diese Verordnung gilt bis Monatsende. Abweichungen werden mit Kerker bestraft.“

Gebannt sitzen die Kinder in den Bänken des Puppentheaters. Sie verfolgen die Bewegungen der Figuren, die Wortwechsel, Prügeleien. Sie zittern mit dem Dichter mit, der kein Geld hat, sich monatlich neue Kleidung zu kaufen und immer gleich angezogen bleibt. Sie fragen sich, wer wohl dahintersteckt: Stammen die Befehle wirklich vom König? Oder hat ihn sein Minister in der Hand, der, dem auch alle Kleidungsgeschäfte im Land gehören?

Als das Stück zu Ende ist, verlassen sie stumm, in Zweierreihen, das Theater und steigen in die bereitgestellten Kleinbusse: die Grüngestreiften in den grünen Bus, die Braungetupften in den Braunen … Nur die schwarzkarierten Kinder sind irritiert – der schwarze Bus hat sich verspätet. Jetzt wird er am Horizont sichtbar, rasend schnell, wie ein wildgewordener Leichenwagen.

„The Court of the Crimson King“ (Ian McDonald, Peter Sinfield):
In the Court of the Crimson King, E.G. Records / Atlantic 1969

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