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Zieh einen Kreis aus Gedanken
Texte und Bilder vom Leben der Indianer
Ausgewählt, übertragen und zusammengestellt gemeinsam mit Käthe Recheis
Mit zahlreichen Farbfotos von Roland Görger, Reinhard Mandl, Eduard Ottinger, Karl-Heinz Raach, Käthe Recheis und Bernhard Widder
Rezension
»Magazin für Amerikanistik«
Der Gegensatz wird auf manchen Betrachter schockierend, desillusionierend wirken: idyllische, wunderschöne Bildmotive von unberührtem ehemaligem Indianerland, und dann ein Indianer in traditioneller Stammeskleidung, die heilige Calumet im Arm und eine Cola-Dose in der Hand. Der Gegensatz ist gewollt. Er soll zum Nachdenken anregen: Nichts ist mehr so, wie es einmal war. Nichts wird morgen noch so sein, wie es heute ist. Alles ändert sich; vielleicht von allein, vielleicht gezwungenerweise. Aber: Das sind nur Äußerlichkeiten. In den Köpfen sind auch nach langer Zeit die Wurzeln einer teils vernichteten, teils veränderten Kultur lebendig. Eine bestimmte Art zu denken, die Dinge zu sehen. Nirgends spiegelt sich das besser wider als in der Lyrik eines Volkes. Die in diesem Buch zusammengefassten ausgewählten Gedichte und Texte repräsentieren in beeindruckender Weise indianische Weltbilder. Sie sind hervorragend, einfühlsam übersetzt. Zusammen mit sensiblen, zugleich packenden Fotos entsteht eine visuelle Kombination, fein aufeinander abgestimmt, die zum Ansehen, zum Lesen und letztendlich zum Denken zwingt. Kein Buch für den schnellen Konsum. Ein Buch, das Zeit erfordert. Wie sagte Lame Deer: "Die Indianer jagen der Vision nach, die Weißen dem Dollar."
Leseprobe
Geistiger Reichtum von Karen Coody Cooper
Indianer sein heute ist ein lebendiges Paradoxon,
ein Widerspruch in sich selbst.
Sich mit der Erde verbunden fühlen
in einer Asphaltwelt.
Stolz und ehrenhaft sein
in Lebensverhältnissen, die erniedrigen.
Geistigen Reichtum erfahren
in einem geistig verarmten Land.
Geschwisterlich verbunden sein
mit grundverschiedenen Brüdern und Schwestern.
Maschinell gefertigte Glasperlen
zu alten, überlieferten Mustern vernähen.
Christliche Kirchenlieder singen
in der Stammessprache.
Ins Englische übersetzte Namen tragen,
die voll alter Bedeutungen sind.
Ausgelacht werden,
auch wenn du nichts Komisches getan hast.
Bei nichtindianischen Kindern Furcht erregen,
obwohl dein Herz nichts Böses denkt.