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Artikel in »Blattsalat«, Zeitschrift des Österreichischen Buchklubs der Jugend, Wien, 1992

Georg Bydlinski – ein Porträt

Literatur für Kinder und Jugendliche führt – nicht nur in Österreich – ein Schattendasein, was die Anerkennung in der Öffentlichkeit anbelangt. Und Lyrik ist in der Bandbreite der Literatur einem nochmals kleineren Kreis von Kennern vorbehalten. Gedichte sind oftmals mit dem Siegel "unverständlich" behaftet.

Georg Bydlinski sieht diese Situation als Herausforderung. Er schreibt für Kinder und Erwachsene – hauptsächlich Gedichte, aber auch Romane. Seit einigen Jahren hat er sich ganz dem Schreiben verschrieben.

Die Welt der Gedichte

Blattsalat (BS): Waren für dich Gedichte schon in der Schulzeit bevorzugte Lektüre?

Georg Bydlinski (GB): Eigentlich habe ich meinen Deutschunterricht gerade in dieser Hinsicht nicht in sehr guter Erinnerung. Gedichte lesen bedeutete immer, sie gleich anschließend interpretieren zu müssen. Mit fast mathematisch-kriminologischen Methoden näherten wir uns dem Text, versuchten die einzig wahre (bzw. vom Lehrer gestattete) Textauslegung zu ertasten. Was der Text in uns auslöste, zum Schwingen brachte, und ob er etwas bewirkte, interessierte nicht.

Ich habe bei meinen Lesungen und Gesprächen mit Lehrern den Eindruck gewonnen, dass sich da schon einiges verändert hat, dass dem jeweiligen Text mehr Raum gegeben wird und seine Wirkung auf die Lesenden bedacht wird. So gesehen, kann der Leser Partner des Autors werden, ihm über den Text begegnen.

BS: Auf welchen Spuren bist du dann zum Gedicht gekommen?

GB: Ich nahm den Umweg über den Liedertext. Ich hörte gerne Bob Dylan oder Leonard Cohen, die anspruchsvolle Texte zu ihrer Musik schrieben. Sie haben mich dazu verleitet, so etwas auch zu probieren. So nahm ich noch einen Umweg – den über die englische Sprache. Ich brauchte damals eine Form, zu meinen Gedanken und Gefühlen auf Distanz gehen zu können. Die fremde Sprache einerseits und die fremde Form des Liedes andererseits forderten mich heraus, meinen Gedanken sprachliche Gestalt zu geben.

Später, nach meiner Matura, entdeckte ich bei meinen ungeordneten, weil nicht verordneten Streifzügen durch die moderne Literatur, dass die Muttersprache noch viel mehr Möglichkeiten der Nuancierung und größeren Genauigkeit in der Darstellung meiner Gedanken und Gefühle bietet.

Was lesen Jugendliche?

Jugendliche sind als Leser schwer greifbar. Während Kinderliteratur einfache stilistische Mittel und klare Aussagen verlangt, ist die Jugendliteratur bereits Brücke zur so genannten Erwachsenenliteratur. Jugendliche Leser sind meist Grenzgänger zwischen den ihnen zugedachten Texten und der Belletristik. Mit der Erzählung »Satellitenstadt« schrieb Bydlinski ein Buch, das wegen seines literarischen Anspruchs einerseits und seiner Thematik andererseits genau in diesem Zwischenbereich angesiedelt ist.

BS: Was hat dich bewogen, die Geschichte über diese Jugendbande zu schreiben? Ist es in deinen Augen ein "Jugendbuch"?

GB: Eigentlich ist mir nicht ganz klar, was 15-Jährige lesen. Als ich die »Satellitenstadt« begann, hatte ich einfach die Geschichte von jenen übermütigen Jugendlichen vor Augen, die mit einem Streich einen Unfall provozieren. Mit der Handlung fand ich dann die Form, ohne einen bestimmten Leser vor Augen zu haben. Eigentlich schrieb ich vielmehr für mich. Ich lebe seit Jahren in einer Stadtrandsiedlung und litt anfangs sehr unter dieser Wohnsituation. In der Geschichte konkretisierte sich dieses Problem, ich schrieb mir somit diese Gefühle, Ängste und Gedanken von der Seele. Auf diese Art konnte ich das Unbehagen bewältigen, das Schreiben verschaffte mir den notwendigen Freiraum, hier weiterleben zu können.

Ich denke auch, dass ich eine Art gefunden habe, eine Geschichte zu erzählen, die leicht verständlich ist, sich nicht in Sprachexperimenten verliert und so sicherlich auch Jugendlichen zugänglich ist.

BS: Erzählst du in deinen Geschichten und Gedichten Momente aus deinem Leben?

GB: Eigentlich liegt es mir nicht, autobiographisch zu schreiben. Aber natürlich sagt jeder Schriftsteller in einem Gedicht verschlüsselt etwas über sich und seine Sicht der Dinge. Auch in Geschichten fließen Erlebnisse und Gehörtes ein, man erinnert sich an Stimmungen, an Eindrücke, an Episoden. Dennoch werden sie von mir nicht systematisch verarbeitet. Ich denke, dass in der "Brechung", in der Bearbeitung als literarischer Stoff, die eigenen Erfahrungen eine relative Allgemeingültigkeit erlangen, sodass sie für andere lesenswert werden.

Bydlinskis Gedichte für Kinder sind heiter verspielt, manche übersprudelnd fröhlich. Sie spiegeln sein Nahverhältnis zu kindlichen Erfahrungen und Erlebnisweisen. Seine Lyrik für Erwachsene ist vom Engagement für eine lebenswerte Welt getragen. Sie drückt oft in Natursymbolen die Liebe zu allem Lebendigen aus und ist geprägt von innerer Stille.

Die Faszination der Indianer

Neben dem eigenen literarischen Schaffen steht bei Bydlinski auch seine Arbeit als Übersetzer und Herausgeber von Indianertexten an der Seite der "Indianerspezialistin" Käthe Recheis. Gemeinsam bearbeiten sie Originaltexte, die die bekannte Autorin über Jahrzehnte hin in Form von Zeitungen, Büchern, Anthologien usw. gesammelt hat. Beide übersetzen, dann werden die Rohfassungen dieser Entwürfe ausgetauscht. Daraus entsteht eine druckfertige Übertragung, bisweilen auch Nachdichtung.

GB: Meist ist es sehr schwierig, den Originalton zu finden, da der "Autor" in Englisch, also in einer für ihn bereits fremden Sprache schrieb und erst zwischen den Zeilen das Lebensgefühl und die Aussage herausgehört werden muss. Käthe Recheis und ich ergänzen uns dabei sehr gut.

BS: Was bedeutet dir die Beschäftigung mit den Indianern?

GB: Zunächst sind sie mir bereits aus meiner Jugend, als ich Karl May verschlang, vertraut und nahe, durch mein Studium der Anglistik und meine Zusammenarbeit mit Frau Recheis bin ich gut eingelesen in die Denkweise der Indianer. Ich schätze sie vor allem wegen ihres behutsamen Umgangs mit allem Lebendigen, aber auch, weil sie eine Sprache haben, die sehr ursprünglich und bilderreich ist und nicht so wissenschaftlich klingt wie unsere.

Ein junger Verlag

Unter dem Namen Edition Umbruch schufen Georg Bydlinski und einige seiner Freunde einen sehr engagierten Kleinverlag. Es begann mit einem »Mödlinger Lesebuch«, das ein kritisches Heimatbuch war und junge Autoren aus dieser Stadt und ihrer Umgebung zu Wort kommen ließ. Daraus entwickelte sich ein Projekt: Edition Umbruch hat nun schon eine Reihe von Büchern verlegt.

BS: Wieso kam es eigentlich zu diesem wirtschaftlich waghalsigen Unternehmen?

GB: Lyrik verkauft sich schlecht. Wenige Verlage nehmen sich dieser Literatur an, wenige Titel erscheinen. Dieses Vakuum wurde von uns gesehen, und wir versuchen nun, Gedichtbände zu verlegen. Dabei hat sich herausgestellt, dass Anthologien wie etwa »Unter der Wärme des Schnees« durchaus von einem interessierten Publikum wahrgenommen werden, Ausgaben eines einzelnen Autors aber auch für uns ein großes Risiko sind. Wir versuchen dem dadurch Rechnung zu tragen, dass wir neben diesen Büchern als zweites "Standbein" eine Reihe betreiben, die sich mit der regionalen Kulturszene befasst. Zweifellos ist der Verlag keine "Goldgrube", und wir arbeiten alle ehrenamtlich, sodass die kleinen Gewinnspannen in neue Projekte fließen können.

Bydlinski reist neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit auch immer wieder durch Österreich, um in Schulklassen und Bibliotheken aus seinen Büchern vorzulesen. Dies ist anstrengend, aber doch auch eine Bereicherung für den Autor. Sein Ehrgeiz und sein Engagement in Sachen Literatur lassen uns noch auf viele Überraschungen gefasst sein.

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