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Verfasst für www.kirango.at, die Kinder-Homepage der Büchereien Wien (2003)

Ein gelungener Satz ist wie ein gelungener Spielzug
Ein Telefongespräch mit Georg Bydlinski

Nein, ich habe keine Schriftstellerschule besucht, auch keine Schriftsteller-Lehre gemacht – weil es so etwas nämlich gar nicht gibt! Schreiben kannst du nur durchs Schreiben lernen. Du kommst voran und machst Fehler. Du entdeckst die Fehler und beginnst wieder von vorn. Du brauchst viel Geduld, aber das, was du dir selber erarbeitet hast, gehört dir dann ganz besonders.

Ja, natürlich haben mir andere bei dieser Entwicklung geholfen. Mittlerweile sind es mehr als 50 Bücher. Meine erste Leserin ist immer meine Frau. Wenn ich eine Geschichte oder eine Gedichtsammlung fertig habe, schick ich eine Kopie davon auch an ein paar Kolleginnen oder Kollegen, auf deren Urteil ich vertraue. Ich bitte sie, das Manus "mit dem Bleistift zu lesen", ihre Eindrücke und Vorschläge dazuzuschreiben. Dabei habe ich schon sehr viel gelernt …

Ein Manus? Das ist die Kurzform für "Manuskript". Ich schreibe meine Texte jetzt schon seit Jahren auf dem Computer. Wenn die Erstfassung fertig ist, drucke ich sie aus und streiche wild darin herum. Ich lasse vieles weg, füge manches ein, stelle um, ändere manchmal die Namen der Hauptpersonen. Das schaut dann ärger aus als die Korrekturen in deinem Deutschheft, und nur ich selber kenne mich darin aus. Erst die Reinschrift davon gebe ich aus der Hand.

Ja, für Kinder, für Jugendliche und für Erwachsene. Es ist schön für mich abzuwechseln – auch von der Lyrik (den Gedichten) zur Prosa (den Geschichten) und umgekehrt. Gemeinsam mit Käthe Recheis habe ich auch Bücher mit Aussprüchen und Texten von Indianern zusammengestellt und ins Deutsche übersetzt. Viele von den Übersetzungen sind eigentlich Nachdichtungen – wir haben oft sehr lange gebraucht, bis wir das richtige Wort, die richtige Stimmung, den richtigen Ton gefunden haben.

Wie diese Indianer-Sammlungen heißen? »Weißt du, dass die Bäume reden« zum Beispiel. Oder »Freundschaft mit der Erde«. Schon an den Titeln sieht man, worauf es den Indianern ankommt: auf ein Leben mit der Natur, nicht gegen sie. Indianer fühlen sich mit allem verwandt, was lebt, und auch Steine oder Sterne sind für sie lebendig. Selbst der kleinste Käfer ist ihr Verwandter. Ich glaube, dass wir sehr viel von ihnen lernen können, ja lernen müssen, was die Umwelt angeht. Größere Behutsamkeit, klarere Entscheidungen! Aber ihr habt davon schon viel begriffen, viel mehr als ich selbst in meiner Schulzeit. Da gab es ein Wort wie "Umweltschutz" noch gar nicht.

Ernstes und Lustiges. Probleme, die mich beschäftigen, und Humorvolles, Phantastisches – so wie im Leben selbst. Wir können nicht immer nur ernst sein, weil wir sonst die Lebensfreude verlieren. Und wir können nicht immer nur lustig sein, sonst werden wir oberflächlich. Ich verarbeite in meinen Büchern auch viele Eindrücke aus der eigenen Umgebung. Ich habe lange in der Südstadt gewohnt, einer Stadtrandsiedlung bei Wien, und da habe ich die Vorfälle rund um eine Jugendbande als Grundlage für mein Buch »Stadtrandnacht« genommen – ich habe aber noch vieles dazuerfunden, damit es spannender wird. Eines hab ich schon oft bemerkt: Ich kann mir für eine Geschichte noch so viele Gedanken vorher machen. Beim Schreiben wird sie immer anders, sie bekommt klare Einzelheiten, die Personen sind plötzlich quicklebendig. Das ist immer wieder spannend und schön, manchmal aber auch mühsam, wenn ich mittendrin stecken bleibe und nicht weiter weiß. Aber es lohnt sich. Durchs Schreiben erfährst du mehr über dich und die Welt.

Wir haben vier Söhne. Der Älteste studiert schon, der Jüngste hat gerade mit der Volksschule begonnen. Langweilig ist's da nie. Durch das Zusammenleben hab ich schon viele Ideen für meine Bücher bekommen. Meine neue phantastische Geschichte »Sieben auf der Suche« hätte ich ohne die Vorliebe meiner Söhne für das Videospielen wahrscheinlich nie so geschrieben!

Nein, Video spielen tu ich selber nicht. Meine Hobbies sind Fußball und Musikhören – Folk, Rock, Blues. Bob Dylan ist mein Lieblingsmusiker. Ich mag seine Stimme, seine Melodien und seine Texte sehr. Und durch das Zuhören hab ich dann auch Lust gekriegt, eigene Lieder zu machen. Die sing ich bei meinen Lesungen zur Gitarre.

Was Fußballspielen mit Schreiben zu tun hat? Das kann ich dir schon sagen: Bei beidem musst du ständig in Bewegung sein, um mitzuhalten – beim Schreiben natürlich in geistiger Bewegung. Du musst aufmerksam sein und den Mut haben, Neues auszuprobieren, auch auf die Gefahr hin, dass es ab und zu schief geht. Aber wenn etwas glückt, ist es ein schönes Gefühl. Ein gelungener Satz ist wie ein gelungener Spielzug. Da vergisst man dann leicht, wie mühsam man sich vorher den Ball erkämpfen musste!

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