Dieser Artikel wurde abgedruckt in: »Büchereiperspektiven« Nr. 2/2002, Zeitschrift des Büchereiverbands Österreichs
Never tire of the road
Er-fahrungen eines Lese-Reisenden
Ich habe mich sehr gefreut, als ich hörte, dass mein Buch »Der dicke Kater Pegasus« für die LESERstimmen-Aktion ausgewählt wurde. Dann, etwas später, aber noch lange vor der ersten Veranstaltung, bekam ich plötzlich Zweifel, ob 30 oder mehr Lesungen aus ein und demselben Buch in einem eng umgrenzten Zeitraum nicht dazu führen könnten, dass ich danach mein Buch nicht mehr leiden kann. Ich werde den »Pegasus« hassen, sagte ich im Halb-Scherz, der vielleicht insgeheim auch eine Beschwörung des Gegenteils war. Und: sie hat gewirkt.
Ich habe auf den Lesereisen mein Buch in gewisser Weise neu entdeckt, habe Texte vorgetragen, die ich früher nicht ausgewählt hatte, habe bei jeder Lesung je nach der Altersstufe der Zuhörer – von der 1. Klasse Volksschule bis zur 1./2. Klasse Hauptschule – ein neues Mosaik aus den Geschichten des Bandes gebaut und es mit Gedichten und dazupassenden Liedern zur Gitarre ergänzt. Keine Lesung war wie die andere.
Ich habe kleine Bibliotheken am Land und große Stadtbüchereien besucht, die verschiedensten Veranstaltungsräume und akustischen Nuancen kennen gelernt. Überall: herzliche, freundliche Begrüßung durch die BibliothekarInnen, offene Atmosphäre bei Lesung und Gespräch, manchmal überschäumende Heiterkeit, die wie eine Welle zwischen dem jungen Publikum und mir hin und herschwappte, manchmal ruhige Nachdenklichkeit, die uns bei anderen Texten verband. In (fast) jedem Fall: Aufmerksamkeit. Worte wirken, habe ich wieder bemerkt – gesprochene, geschwiegene (ausgesparte), gesungene Worte …
Ich habe von neuem die Vorliebe vieler Kinder für Seltsames und Skurriles entdeckt, aber auch ihr klares Bewusstsein, dass das Skurrile oft recht nah am realen Alltag von uns allen angesiedelt ist. Ich habe deutlich erkannt, dass Bibliotheken nicht nur Lese-, sondern auch Lebens-, Kommunikationszentren sind, in denen es Leseclubs und Schreibwerkstätten gibt und wo Menschen jeden Alters sich wohl fühlen.
Ich bin mit Eurocity-Zügen gerast und auf Nebenbahnen gebummelt, bin mit Autobussen und zahlreichen Privat-Pkws gefahren (Dank an alle umsichtigen LenkerInnen!). Ich habe Orte besucht, an denen ich noch nie zuvor gewesen bin.
In einer Hauptschul-Bücherei bekam ich von SchülerInnen aus Ton modellierte und aus Wolle geformte Figuren geschenkt, die aus meinen eigenen Büchern stammen; sie schmücken jetzt das Bücherregal in meinem Arbeitszimmer.
Und wenn das Programm einmal fast zu dicht war, die Stimme zu beansprucht, die Ausruhphase zu kurz, die Fahrtstrecke zu lang oder der Anschlusszug verspätet, dann klang mir das Lied im Ohr, das der irische Folk-Musiker Andy Irvine im Gedenken an Woody Guthrie geschrieben hat:
Never tire of the road
Never tire of the rolling wheel
Never tire of the ways of the world
(...)
Never tire of the road.
Ich darf eine eigene Strophe hinzufügen:
Never tire of the books
Never tire of the printed page
Never tire of the ways of the word
Never tire of the road.
Habe ich übrigens schon gesagt, dass mein »Pegasus«-Buch während der LESERstimmen-Aktion seine zweite Auflage erlebte? Dann sage ich es jetzt.